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Freitag, 15. Juli 2016

New York Times: Ein saudischer Moralpolizist rief auf zu einem liberaleren Islam. Dann begannen die Todesdrohungen. Teil 1



Von Ben Hubbard, 10. Juli 2016


Die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens arbeitete Ahmed Qassim al-Ghamdi bei den bärtigen Moralpolizisten Saudi Arabiens. Er war ein überzeugter Angestellter der Abteilung für die Verbreitung der Tugend und der Verhinderung von Lastern - im Ausland bekannt als Religionspolizei - wobei seine Arbeit den Kontakt zu Bürgern umfasste und er die Verwestlichung des islamischen Königreichs verhindern sollte, wie auch die Säkularisierung und alles andere, was nicht den konservativen islamischen Dogmen entspricht.

Einiges davon umfasste normale Polizeiarbeit: Drogenhändler und Schwarzbrenner auffliegen lassen in einem Land, wo Alkohol verboten ist. Aber die Männer der "Kommission", wie die Saudis sie nennen, verbringen die meiste Zeit damit die puritanischen öffentlichen Normen durchzusetzen, die Saudi Arabien nicht nur vom Westen trennt, sondern auch vom überwiegenden Teil der muslimischen Welt.

Der Hauptvorwurf lautete Ikhtilat, also das verbotene Vermischen zwischen Männern und Frauen. Die Kleriker des Königreiches warnen, dass dies zu Unzucht führt, Ehebruch, kaputten Familien, außerehelich geborenen Kindern und dem vollumfänglichen gesellschaftlichen Kollaps.

Jahrelang hielt sich Herr Ghamdi an das Programm und wurde irgendwann Chef der Kommission in der Region von Mekka, der heiligten Stadt des Islam. Dort erlebte er sein Erwachen und begann die Regeln zu hinterfragen. Er wandte sich an den Koran und die Geschichten von Prophet Mohammed und seinen Gefährten, und studierte die Leben von vorbildlichen Muslimen. Was er herausfand war erstaunlich und lebensverändernd: Es gab in der ersten Generation der Moslems einiges an Geschlechtervermischung und niemanden schien es zu stören.

Genau das sprach er aus. In Artikeln und Fernsehauftritten argumentierte er, dass das, was die Saudis als Religion praktizieren in Wahrheit arabische kulturelle Praktiken seien, die sie mit ihrem Glauben vermischt haben.

Es gab keinen Grund für geschlossene Geschäfte während der Gebetszeiten, sagte er, auch nicht für das Autofahrverbot für Frauen, wie es in Saudi Arabien der Fall ist. Zur Zeit des Propheten ritten Frauen auf Kamelen, was, wie er meint, bei weitem provokativer sei als verhüllte Frauen am Steuer eines SUV.

Er sagte sogar, dass Frauen zwar ihre Körper verhüllen sollten, das Verbergen des Gesichtes aber jeder einzelnen überlassen bleiben sollte. Und um die Tiefe seiner Überzeugungen zu demonstrieren trat Herr Ghamdi zusammen mit seiner Frau Jawahir im Fernsehen auf, welche mit blankem Gesicht und einer dicken Schickt Schminke in die Kamera lächelte.

In der religiösen Elite des Königreiches wirkte das wie eine Bombe, welche die soziale Ordnung gefährdete, von der die Scheichs ihren Status ableiten und wodurch sie zu den allmächtigen Entscheidern über recht und unrecht im Leben werden. Er bedrohte ihre Kontrolle.

Herr Ghamdis Kollegen bei der Arbeit weigerten sich mit ihm zu sprechen. Verärgerte Anrufe prasselten auf seinem Telefon nieder und anonyme Todesdrohungen trafen ihn bei Twitter. Bekannte Scheichs gingen auf Sendung, um ihn als ignoranten Emporkömmling abzuurteilen, der gefälligst verurteilt, bestraft und sogar gefoltert gehört. weiter hier


Teil 1: Ein saudischer Moralpolizist
Teil 2: Probleme im Verständnis
Teil 3: Fragt erst gar nicht nach Schwulenrechten
Teil 4: Was ist ein Wahhabi?
Teil 5: Ein Durcheinander an Fatwas
Teil 6: Ein unerwarteter Reformer
Teil 7: Kein Platz für Einsprüche
Teil 8: Reform auf die harte Tour



Im Original: A Saudi Morals Enforcer Called for a More Liberal Islam. Then the Death Threats Began.

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